Sonntag, 26. August 2012

Tod und Rückkehr – Christian v. Kamp

Christian von Kamp bietet auf seiner Webseite etliche Erzählungen und Bücher zum kostenfreien Download an. Hier bewahrheitet sich das Gerücht nicht, dass Kostenloses meist von nur geringem Wert sei.

Gerne lese ich seine Erzählung “Tod und Rückkehr, die sich mit überschaubaren 49 Buchseiten an einem verregneten Nachmittag gut bewältigen lässt.

Leichte Kost? Ja und Nein:

Die in ihrer Handlung fiktionale Erzählung ist in einem gut verständlichen Sprachstil verfasst, auch werden dem Leser keine komplexen Thesen über Unsterblichkeit, Wiedergeburt und Nahtod-Erlebnisse vermittelt. Eher scheint von Kamp’s Intention darin zu liegen, dass der Leser sich bald in die geschilderte Begebenheit hineinversetzt und in gewisser Weise mitfühlt.
Inmitten einer phantasievoll berichteten Begebenheit treten subtile Wahrheiten anschaulich zutage – wobei es dem Leser überlassen bleibt, ob er sich von ihnen berühren lassen mag oder nicht.

Fragen aus der Sicht von Naturwissenschaftlern werden nicht vertieft, dadurch wird die andernorts ausgiebig behandelte Kontroverse ‘echtes Erleben oder traumähnlicher Zustand?’ ausgeklammert.

“Auf der Erde können sogar die begabtesten Wortkünstler doch nur noch stammeln und lallen, wenn es um subtilere Bereiche des Geistes und der Seele geht.”

Wie von Kamp auf einer kurz gehaltenen Webseite darlegt, sind den empirischen Wissenschaften enge Grenzen gesetzt sind, denn sie dürfen sich naturgemäß allein mit materiellen Phänomenen befassen, zu denen ein Zugang durch beobachten, Messen, Berechnen und Experimentieren herstellbar ist.-

" … er begriff, dass seine Möglichkeiten, Gefühle wahrzunehmen, sich hier in ungeahntem Maße erweitert hatten. Ja, als er ein Kind gewesen war, da war er auch noch weit offen gewesen für Gefühle, ähnlich in seiner Jugend.
Doch dem Erwachsenen war diese Fähigkeit allmählich abhanden gekommen, da war das Leben viel mehr zum „Alltag“ geworden.”

Doch mit dem Erkennen an sich ist es nicht getan. Die Erzählung Tod und Rückkehr vermittelt, wie wir den Bezug zu einem Leben im Einklang mit uns und den Menschen um uns herum Stück für Stück aufgeben. Weder Unbeschwertheit noch ein klarer Blick auf das Wesentliche stellen sich im Alltag oft ein – zu viel Hektik statt Innehalten…wie auch? ein ToDo folgt auf das andere.
Dabei entsteht meist ungewollt ein Umfeld von Lieblosigkeit; viel zu selten nehmen wir unser Gegenüber als empfindsame Persönlichkeit wahr. Auch unsere eigenen Hoffnungen, Wünsche, Empfindlichkeiten treten in den Hintergrund. Sie müssen Platz machen für ein Gefüge aus Zwängen und Verbindlichkeiten, deren Bedeutung maßlos überschätzt wird.

Sind wir dafür hier? Besteht darin der tiefere Sinn und Zweck unseres Lebens auf der Erde?
Andererseits: Die wenigsten Menschen können sich ihren beruflichen und sonstigen Verpflichtungen komplett entziehen – zu groß wäre dieser Schritt und zudem mit erheblichen Ängsten besetzt. ‘Alles schleifen lassen’ ist auch kaum das ideale Rezept für ein erfülltes, bewusstes Leben – schließlich sind viele der sich wiederholenden ‘Musts’ die Folgen unserer eigenen Entscheidungen.

Doch es besteht täglich Gelegenheit, anderen und sich selbst Freiräume zu schaffen: Es hilft schon, wenn wir nicht nur Pragmatismus und Nutzen-vs.-Risiken-Abwägungen zum alleinigen Maßstab unseres Denkens und Verhaltens werden lassen. Denn Lieblosigkeit äußert sich in solch nüchternem Kalkül, das menschliche Belange ignoriert.

Lieblosigkeit, d.h. Abwesenheit von Liebe, von uneigennütziger Hinwendung zu anderen sowie des Hineinhorchens in sich selbst führen dazu, dass Menschen sich zunehmend in persönlicher Schuld verstricken.
Von dieser Schuld, aber auch von der Rechenschaft, die jeder von uns nach seinem Lebensende wird abgeben müssen, handelt diese Erzählung.

Doch das ‘wirkliche Leben’ spielt anders als jede noch so gute Erzählung. Es macht mich betroffen und traurig: Wenn wir wirklich hier sind, um uns selbst zu erkennen und “bedingungslos lieben … lieben … lieben” zu lernen, dann – so scheint mir nach einem Blick auf die Welt, meine nähere Umgebung und zuletzt in den Spiegel – sind wir fast alle wohl dabei, dieses Klassenziel gründlich zu verfehlen.-

 

Mit manchen Überlegungen über die ‘Relativität des Leidens’ vermag ich mich nur schwer anzufreunden:

“Wenn man aber die Zeit des Erdenlebens nur als die erste Sekunde des gesamten Lebens erkannte: Was bedeutete diese Sekunde dann, selbst wenn sie noch so erfüllt war mit Leid?

Die Ewigkeit glich doch dieses Leiden wieder aus, überwog es unendlich; machte es zwar nicht ungeschehen, aber schenkte soviel Seligkeit, daß der erlittene irdische Schmerz klein wurde.”

Beneidenswert ist, wer so viel Weitsicht und Abstraktionsvermögen aufbringt. So lange das Ich sich dieser Ewigkeit nicht bewusst ist und sie nicht als Gewissheit empfindet, können Tage voller Leid und Wochen der Leere sehr lange erscheinen. Gegenwärtig bleibt vielen Menschen allein die Hoffnung auf ein positives, erfülltes Jenseits…doch deren Wirkungspotenzial ist nicht zu unterschätzen.

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