Freitag, 11. Juli 2014

Wegsperren für immer? -- Sicherungsverwahrung in Deutschland

Ich befand mich in einer Annahme, die schlicht falsch ist: In Sicherungsverwahrung kämen nur Personen, die als Wiederholungstäter entweder wegen Sexualstraftaten, schwerster Körperverletzung oder mehrerer Morde verurteilt seien.

Wie die u.a. Dokumentation anschaulich aufzeigt, kann es auch andere Straftäter - z.B. Trickbetrüger und Heiratsschwindler - treffen, deren Prognose als ungünstig gilt. 
Besonders anschaulich ist das Beispiel des 77-jährigen Mannes, der von sich sagt, er habe längst das Interesse an Sexualität (die für ihn früher mit dem mehrfach Würgen von Frauen einherging, allerdings kam es nicht zu Todesfällen.
Sicherungsverwahrung ist eine freiheitsentziehende Maßregel der Besserung und Sicherung im deutschen Strafrecht. Sie soll dazu dienen, die Allgemeinheit vor gefährlichen Straftätern zu schützen, und hat somit Präventivfunktion. Die Regelung der Sicherungsverwahrung im StGB ist am 4. Mai 2011 in der damals geltenden Fassung vom Bundesverfassungsgericht für verfassungswidrig erklärt worden und wurde mit Wirkung zum 1. Juni 2013 reformiert. 

Im Gegensatz zur Freiheitsstrafe knüpft die Sicherungsverwahrung einzig an die Gefährlichkeit des Straftäters für die Allgemeinheit an. Diese Gefährlichkeit muss in einer Prognose festgestellt werden und sich zuvor in einer besonders schweren Straftat geäußert haben.
Über die Arbeit der Gutachter und Psychotherapeuten zu urteilen, schön bequem vom Fernsehsessel aus und im Inbegriff der Ahnungslosigkeit, liegt mir fern. Doch sollten wir uns meiner Ansicht nach schon die Frage stellen, ob die Abwägung zwischen dem berechtigten Sicherheitsinteresse der Gesellschaft und der Würde eines jeden Menschen in allen Fällen mit der nötigen Sorgfalt getroffen wird.
Dies ist insbesondere da zu hinterfragen, wo Sicherungsverwahrte seit über 10 Jahren von keinem Gutachter mehr persönlich befragt und untersucht wurden.

Statistische Angaben:
Den Tiefststand hatte die Zahl der Sicherungsverwahrten im Jahr 1984 mit 182 erreicht. Seither ist die Tendenz wieder steigend. Zum Vergleich: 306 im Jahr 2003 und 350 im Jahr 2005. Am 31. März 2010 wurden 524 Sicherungsverwahrte (darunter 3 Frauen) in deutschen Gefängnissen gezählt. 
Die in die Freiheit entlassenen Sicherungsverwahrten haben durchschnittlich über 15 Jahre im Gefängnis verbracht (Freiheitsstrafe und SV zusammen). 

Am 1. Juni 2013 trat das Gesetz zur Umsetzung des Abstandsgebotes bei der Sicherungsverwahrung in Kraft, mit welchem den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts vom Mai 2011 sowie des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte entsprochen werden soll. (Abstandsgebot ist ein durch das deutsche Bundesverfassungsgericht  verwendeter Begriff.Er bezeichnet das Erfordernis eines deutlichen Unterschiedes zwischen der Ausgestaltung des Freiheitsentzugs im Rahmen der Sicherungsverwahrung im Gegensatz zum Freiheitsentzug im Rahmen des Strafvollzuges.) 

Die Sicherungsverwahrung diene allein dem Zwecke der Vorbeugung von künftigen Straftaten, während die Freiheitsstrafe eine Sanktion für vergangene Straftaten darstelle.
Die Sicherungsverwahrung sieht nun vor, dass durch intensive Betreuung die Gefährlichkeit des Untergebrachten für die Allgemeinheit so weit wie möglich zu mindern ist. Die Gerichte werden künftig überprüfen, ob die therapeutische Betreuung auch in dem Maß angeboten wird, wie das BVerfG es fordert. 

Wichtig: Die Dokumentation entstand vor 2011, könnte also in Teilen überholt sein.