Freitag, 12. Dezember 2014

"Wir Schlafwandler" - Helmut Schmidt zur Kriegsgefahr

"Zum ersten Mal seit dem Ende des Kalten Krieges taucht an
 Europas Horizont die Möglichkeit eines Krieges auf.
Deshalb müssen in der Ukraine-Krise beide Seiten nachgeben."


Selbstverständlich vergleiche ich mich selbst nicht ansatzweise mit Helmut Schmidt. Doch ich teile sein "Eingeständnis wachsender Besorgnis" in Bezug auf die konkrete Gefahr einer militärischen Konfrontation mitten in  Europa.

Auch seine Einschätzung der kausalen Faktoren dieses absehbaren Konfliktes kann ich weitgehend nachvollziehen: Schmidt blickt zurück auf 1962, als die Sowjetunion atomare Mittelstreckenraketen auf Kuba installiert hatte. 
"Weil jene Raketen die Sicherheit der USA strategisch zusätzlich und entscheidend gefährdeten, geriet die ganze Welt an den Rand eines dritten Weltkrieges."
Damals war es das gemeinsame Verdienst von Kennedy und Chruschtschow, den drohenden dritten Weltkrieg abzuwenden. 
"Beide haben damals im Bewusstsein ihrer Verantwortung nachgegeben."
Der eine nahm seine Raketen aus Kuba zurück, der andere seine Raketen aus der Türkei. Das Prestige der beiden militärischen Weltmächte blieb unverletzt. 
Dieser Aspekt der 'Gesichtswahrung' wird im gegenwärtigen Ukraine-Konflikt viel zu wenig beachtet. Nicht zuletzt deshalb sind die gegenwärtigen Handlungen sowohl Putins als auch der EU und der Nato geeignet, die Sicherheit beider Seiten erheblich zu gefährden.

Im Gegensatz zu einigen seiner SPD-Kollegen nennt Schmidt, der gerne als "Russland-Versteher" verunglimpft wird, die Fakten beim Namen:
"Monate vorher hatte Putin die Halbinsel Krim annektiert und sie Russland angegliedert."
Auslöser dieser Verwerfungen war allerdings der Versuch der EU, die Ukraine an sich zu binden - für Schmidt "eine törichte Herausforderung der Russen".
Es folgte sowohl in Russland als auch im Westen eine Kette von sich gegenseitig steigernden Handlungen und Reden und Gesten - alarmierende und auch versöhnliche Nachrichten wechselten einander ab:
"Unsere Medien berichten täglich über diese Probleme, wir lassen uns auch täglich aufregen von den Nachrichten über die Ukraine, über Putin, über Beschlüsse der Nato oder über gegenseitige "Sanktionen".
Diese Aufregung hält Schmidt für gerechtfertigt, denn er sieht Nato und die Russische Föderation auf eine militärische Konfrontation à la Kuba-Krise zu steuern, "ohne sie zu wollen".

Doch was sind geeignete Optionen zur Eindämmung der sich beschleunigenden Eskalation? Helmut Schmidt benennt hierzu mehrere Schritte:
  • schnellstmögliche Wiederherstellung der diplomatischen Konsultationen und 'Backchannels' zwischen Russland und der Nato.
  • Multilaterale Verhandlungen über die politische und die ökonomische Zukunft der Ukraine - sowie über die Rechte des russischsprachigen östlichen Teils der Ukraine.
  • Erarbeitung einer langfristigen Zukunfts-Perspektive für beide Seiten
"Die Lösung der Kuba-Krise gelang, weil beide Seiten im Bewusstsein ihrer Verantwortung nachgegeben haben. Diese Lehre sollten die Diplomaten morgen und übermorgen beherzigen."