Sonntag, 26. August 2012

Der Teufel bei den Katharern und den Hexen

Daniela Müller greift eine in der Forschung wie auch in populärer Literatur über die religiöse Bewegung der Katharer und ihre Verfolgung bzw. Vernichtung seitens der katholischen Kirche durchgängig anzutreffenden Annahme auf:
Lange galt als gesichert, dass bald nach dem Albigenser-Kreuzzug in Südfrankreich die Hexenverfolgungen begonnen hätten, um die Katharer endgültig auszumerzen.

Bekanntlich starben die ‘Ketzer’ Okzitaniens auf den Scheiterhaufen der Inquisition, in weltlichen und kirchlichen Gefängnissen; sie wurden über Landesgrenzen hinweg verfolgt und geächtet – bis um ca. 1320 in ganz Mitteleuropa (mit Ausnahme Bulgariens) kein Katharer mehr seinen Glauben öffentlich ausübte.

Die vereinzelt vorkommende Rückkehr zum katholischen Glauben und in den Schoß der liebenden Mutter Kirche rettete den ‘Ketzern’ zwar das Leben, nicht aber ihre Existenzgrundlage, ihre Güter und ihre gesellschaftliche Stellung.
Ein insoweit plausibel erscheinender Zusammenhang zwischen Katharer- und  Hexenverfolgung sei aufgrund der Fälschungen des Historikers Etienne de Lamothe-Langon als bewiesen angenommen worden. Dieser hatte in seiner Histoire de l’Inquisition en France um 1829 eine Reihe von Massenprozessen gegen  „Hexen“ in Toulouse und Carcassonne durchgeführt geschildert, denen Hunderte von Menschen zum Opfer gefallen sein sollten.
Nachdem sie knapp 150 Jahre lang in allen einschlägigen Werken bereitwilltig zitiert wurden, konnte die von Lamothe überlieferten Textquellen in den 1970er Jahren als Fälschung entlarvt werden.

Es scheint jedoch, als sei das Werk von Lamotte nicht der einzige konkrete Hinweis auf einen solchen Zusammenhang:Eine Hausarbeit über die Rolle des Domikikaner-Ordens in der Ketzerbekämpfung legt beispielsweise dar, diese habe bereits mit der „Ketzermission“ des Dominikus in Okzitanien begonnen. Schließlich sei der 1217 durch Papst Honorius III.
anerkannte „Ordo fratrum Praedicatorum“ durchaus zu diesem Zweck ins Leben gerufen worden.
In Ihrer o.a. Abhandlung hinterfragt Müller, ob der angenommene Kausalzusammenhang zwischen Katharern und Hexen weiterhin Bestand habe. Eindeutige Quellen dazu gebe es nicht, aber:
Die Inquisitoren, die als erste gegen vorgebliche Hexen ermittelten, entstammten ja dem Orden der Dominikaner und waren somit bestens mit den Lehrmeinungen der Katharer vertraut 
Es sei daher geboten, mögliche Einflüsse der katharischen Lehre vom Bösen und über den Satan auf die spätere „Hexenlehre“ zu untersuchen.
Ein zentrales Element der katharische Theo­logie bildet die Erzählung vom Fall der Engel (‘Engelssturz’), der in seiner gnostischen Lesart Bezug auf das NT, Offb. 12,7-9 nimmt:
7 Und es entstand ein Kampf im Himmel: Michael und seine Engel kämpften gegen den Drachen; und der Drache und seine Engel kämpften;
8 aber sie siegten nicht, und ihre Stätte wurde nicht mehr im Himmel gefunden.
9 Und so wurde der große Drache niedergeworfen, die alte Schlange, genannt der Teufel und der Satan, der den ganzen Erdkreis verführt; er wurde auf die Erde hinabgeworfen, und seine Engel wurden mit ihm hinabgeworfen.
(Offenbarung d. Johannes 12, 7-9, Schl. 2000)

Von hier aus wird erfolgt die Begründung des spezifischen katharischen Dualismus begründet – entweder in seiner radikalen oder seiner gemäßigten Form.
“Luzifer wird, in Analogiebildung zu Gott und Jesus, seinem Sohn, als Sohn des bö­sen Gottes aufgefasst, der sich in einen Engel des Lichts verwandelt und wegen seiner großen Schönheit von den Engeln Gottes geliebt und vom Herrn als Verwalter ein­gesetzt wird. Mit seiner Verschlagenheit aber täuscht er die Engel, bringt sie zur Sünde und zieht sie aus dem Himmel weg.”
Die Annahme eines vollkommenen ‘Guten Gottes’ und eines unvollkommenen, schlechten Gottes (Demiurg) ist ein wesentlicher Grundstein aller der Gnosis zugerechneten Strömungen, auch des Katharismus.
Durch eine Akzentverschiebung trete zunehmend das Motiv der Verführung der Engel durch List und Tücke des Luzifer an die Stelle des gewaltsamen Kampfes. Nun erscheint nun auch die Frau – nicht überraschend, zumal List und Täuschung in der christlichen Tradition meist der Frau zugeordnet wird.  
Daniela Meyer beschreibt sehr detailliert eine interessante Entwicklung, durch die einem weiblichen Himmelswesen als ‘Gehilfin des Teufels’ die Schuld am Engelsturz zugeschrieben werde (vgl. Brevis summula).
Neben der das Weibliche entwertenden Vorstellung steht bei den Katharern auch Eva nach Berichten katholischer Polemiker vereinzelt in „besonderer“, nämlich geschlechtlicher Nähe zum Teufel:
”…in Geständnissen vor der Inquisition ist gleiches zu lesen, … dass aus dem Geschlechtsverkehr des Teufels mit Eva Kain, aus dem Adams mit ihr Abel entstanden sei.”
Bis in die Mitte des 13. Jahrhunderts war in Südfrankreich dagegen keine geschlechtsspezifische Schöpfungsge­schichte überliefert. Der Teufel erschuf die Körper der Menschen und schloss darin gefallene Engelsee­len ein. Von der Erschaffung Adams und Evas nur gesagt, dass Satan, bzw. Luzifer beide Körper gemacht habe.
Männliche und weibliche Körper gehen auf das Werk des Teufels zurück; im Reiche des Guten Gottes gebe es keine Geschlechtsunterschiede. 

Somit wurde eine Geschlechtsverbindung von Satan und Frau, bzw. weiblichem Wesen vor allem bei den italienischen Katharern angenommen – diese Versionen katharischer Vorstellungen waren auch den Dominikanern bekannt.
(So allmählich ahnt man, worin der Zusammenhang zu den vermeintlichen 'Hexen’ späterer Jahre besteht, denen ebenfalls nachgesagt wurde, sie paarten sich mit dem Teufel und seinen Dämonen:)
“Von hier aus könnte ein besonderes Interesse in dominikanischen Kreisen an einer Verbindung Frau und Teufel bestanden haben, was den Weg für entsprechende Bausteine der Hexenlehre geebnet haben könnte.”--
Eines ist mir dabei unklar: Falls es sich bei der abwertenden Haltung in Teilen des Katharismus nicht nur um eine böswillige Polemik ihrer Ankläger handelte, weshalb wurden dann gerade bei den Katharern Frauen mit besonderer Verantwortung für soziale Einrichtungen, aber auch geistlicher Natur betraut?

Pervertierte Öffentlichkeitsarbeit:
Nach den Katharern waren die 'Hexen' an der Reihe


Diese Lehrmeinung über den Bezug des Teufels zur Frau schlechthin mag ein verhängnisvoller Auslöser dafür sein, dass sich der Glaube an eine übernatürliche Hexerei bis etwa zum Jahre 1230 durchsetzte. Von da an beschäftigte man sich 'wissenschaftlich'  mit Zauberei und Hexerei
Auch wenn man glaubte, alle Frauen von Natur aus schlecht und triebhaft seien, sollten bestimmte Körpermerkmale als Indikator dafür dienen, dass einzelne 'verdorbene Weiber' Unzucht mit dem Teufel ("Teufelsbuhlschaft) trieben. Nach solchen absurden Vorstellungen waren rotes Haare, tief liegende Augen sowie Sommersprossen und Warzen besonders verdächtig...

Es dauerte ganze hundert Jahre, bis Papst Johannes 22. um 1326 festlegte, dass neben der Ketzerei nun auch die Hexerei gerichtlich verfolgt werden sollte. (Katharer gab es seit etwa 1320 keine mehr, die man noch zur Einschüchterung des Volkes nach inszenierten Schauprozessen hätte öffentlich verbrennen können. 
Es mag etwas polemisch klingen, den damaligen Päpsten und Inquisitoren diese Motivation der 'Zielgruppenfestigung' zu unterstellen - doch es ist nun mal belegt, dass im südfranzösischen Okzitanien ganze Dorfgemeinschaften zwecks Abschreckung gezwungen wurden, öffentlichen Hinrichtungen von Häretikern beizuwohnen.

Die systematische Hexenverfolgung setzte ein, als Innozenz VIII. 1484  in der der sog. Hexenbulle (Summis desiderantes affectibus) die Handlungen und Vergehen aufführte, die als 'hexentypisch' anzusehen waren. Die Bulle verlieh zwar die Vollmacht zur Zurechtweisung, Inhaftierung und Bestrafung verdächtiger Personen, jedoch nicht zur Hexenverbrennung.
"Zusammenfassung von Hansen 1901: Papst Innozenz VIII. (Dominikanermönch Heinrich Kramer) ermächtigt die beiden in Deutschland tätigen Inquisitoren Heinrich Institoris und Jacob Sprenger [ebenfalls Mitglied des Dominikanerorden], gegen die Zauberer und Hexen gerichtlich vorzugehen. Er erklärt den Widerstand, den dieselben seither in Kreisen von Klerikern und Laien bei dieser Tätigkeit gefunden haben, für unberechtigt, da diese Verbrecher tatsächlich unter die Kompetenz der Ketzerrichter gehören, und beauftragt den Bischof von Straßburg, die den Inquisitoren etwa entgegengesetzten Hindernisse durch die Verhängung kirchlicher Zensuren zu beseitigen."

Der Hexenhammer (malleus maleficarum) des Dominikaners Heinrich Kramer knüpfte 1487 möglicherweise an die vorgeblich in katharischen Schriften zu findende Minderwertigkeit der Frau an - nun wurde auf die Urgeschichte des Alten Testaments im 1.Buch Mose verwiesen:
Frauen seien schon bei der Schöpfung benachteiligt gewesen, weil Gott Eva aus Adams Rippe schuf. Außerdem wurden den Frauen Defizite im Glauben vorgeworfen, die als „Feind der Freundschaft, eine unausweichliche Strafe, ein notwendiges Übel, eine natürliche Versuchung, eine begehrenswerte Katastrophe, ..., einen erfreulichen Schaden, ein Übel der Natur“ bezeichnet werden.
 
Zu den Opfern der Hexenverfolgung heißt es hier:
"Nach neueren Forschungen und umfangreichen Auswertungen der Gerichtsakten geht man davon aus, dass die Verfolgung in ganz Europa etwa 40.000 bis 60.000 Todesopfer forderte. Etwa 25.000 Menschen wurden auf dem Boden des Hl. Römischen Reichs Deutscher Nation [...] hingerichtet." 
Eine andere Zahl verdeutlicht das Ausmaß besser: Insgesamt soll etwa drei Millionen Menschen der Prozess gemacht worden sein, wobei Enteignungen zum Wohle der Kirche und Haftstrafen am zahlreichsten waren.-








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