Montag, 10. Dezember 2012

Sind Vergebung und Sühne käuflich?

Ein heikles Thema, aber eines, das m.E. nicht ignoriert werden sollte - insbesondere vor dem Hintergrund, wie sich der Staat Israel gegenwärtig positioniert.

Auf Zustimmung von der falschen Seite, d.h. von Nazis, Ignoranten und Antisemitisten, lege ich nicht den geringsten Wert. Doch in meinen Augen ist es ein gewichtiger Unterschied, ob ich mich als Deutscher meiner unbestreitbaren geschichtlichen Verantwortung stelle - oder ob ich mich fortgesetzt von einem Schuldkomplex vereinnahmen und instrumentalisieren lasse, welcher für Deutsche unangebracht ist, die nach 1945 geboren sind.

Das Luxemburger Abkommen von 1952
Am 10.9.1952 wurde das sog. Luxemburger Abkommen unterzeichnet - durch den israelischen Außenminister Mosche Scharett, den Präsidenten der Conference on Jewish Material Claims Against Germany (die jüdische Opfer außerhalb Israels vertrat), Nachum Goldmann, und Bundeskanzler Konrad Adenauer: Zusätzlich zu den individuellen Entschädigungen für Holocaust-Überlebende wurden westdeutsche Zahlungen von drei Milliarden D-Mark an Israel sowie Kompensationen in Höhe von 450 Millionen D-Mark an die Claims Conference vereinbart. Die Leistungen erstreckten sich über einen Zeitraum von zwölf Jahren und bestanden vorwiegend aus deutschen Warenlieferungen und einer  Milliarde D-Mark war zur Finanzierung israelischer Erdölkäufe. 
Derweil lehnten Während die Sowjetunion und die DDR-Führung jegliche Verpflichtung gegenüber Israel mit dem Verweis auf die grundsätzliche Erfüllung des Potsdamer Abkommens durch Ostdeutschland ab.

Das Abkommen war sowohl in Israel als auch in Deutschland höchst umstritten. Der rechtskonservative israelische Oppositionsführer Menachem Begin lehnte das "Blutgeld" ab: Geld könne den millionenfachen Mord nicht sühnen. Vergebung sei nicht käuflich. In Deutschland durchgeführte Meinungsumfragen machten deutlich, dass damals nur 11 Prozent der Bundesbürger Reparationszahlungen an Israel befürworteten; 24 Prozent sahen sie als zu hoch an, 44 Prozent hielten sie für überflüssig.

Es darf angenommen werden, dass die individuellen Entschädigungen für Opfer bzw. Angehörigen von weitaus mehr Deutschen befürwortet wurden. Ein Grundgedanke der an Israel geleisteten Zahlungen und Lieferungen sah vor, dass Deutsche sich nicht dauerhaft an geraubtem jüdischen Eigentum bereichern dürften und zu materieller Entschädigung verpflichtet seien. 
Zudem bildete das Luxemburger Abkommen bildete einen wichtigen Schritt für die Herstellung internationalen Vertrauens in die Bundesrepublik; und es schuf wichtige Grundlagen für die Entwicklung der Beziehungen zwischen Israel und Deutschland. 
"Den deutschen Beitrag für die Entwicklung des jüdischen Staates während des ersten Jahrzehnts seiner Existenz wertete Nachum Goldmann, bis 1977 Präsident des Jüdischen Weltkongresses und einer der Architekten des Luxemburger Abkommens, Mitte der 70er-Jahre: "Ohne die deutschen Wiedergutmachungsleistungen, die in den ersten zehn Jahren nach der Gründung Israels einsetzten, besäße der Staat kaum über die Hälfte seiner heutigen Infrastruktur: alle Züge, alle Schiffe, alle Elektrizitätswerke sowie ein Großteil der Industrie sind deutschen Ursprungs." Quelle: Bundeszentrale für politische Bildung
Es kann nicht bezweifelt werden, dass die moralische Verwantortung auf deutscher Seite wie auch die  Auseinandersetzung mit der Shoah niemals 'beendet' sein kann. Doch wie steht es mit materiellen deutschen Leistungen, die über eventuell bis heute ausstehende individuelle Entschädigungen hinausgehen? Und: Darf sich die deutsche Seite erneut schuldig machen, indem sie fortgesetzt durch militärische Unterstützung Israel mittelbar auch Menschenrechtsverletzungen gegenüber den Palästinensern zu verantworten hat?

Nicht nur in den 50er und 60er Jahren war Deutschland ein bedeutender Lieferant von militärischer Ausrüstung und Waffen nach Israel, bevor die Lieferung deutscher Panzer an Israel 1965 beendet wurde. Deutschland beliefert Israel weiterhin mit U-Booten der Delfin-Klasse; inzwischen besitzt Israel nun fünf in Deutschland gebaute U-Boote, auf denen auch Atomwaffen eingesetzt werden können. Die ersten drei Boote wurden mit 1,1 Milliarden D-Mark aus dem Bundesetat subventioniert.

Im Jahr 2010 berichtete die Süddeutsche, Israel plane, die 1952 mit Deutschland geschlossenen Wiedergutmachungsverträge nachzuverhandeln. Dabei ging es allerdings nicht um Waffenlieferungen, sondern um konkrete Leistungen an Holocaust-Überlebende. Während ich für derartige Forderungen Verständnis aufbringe, haftet gerade der militärischen Unterstützung Israels bis in die Gegenwart ein schaler Beigeschmack bei - während es eine "Wiedergutmachung" niemals geben kann und eine Aussöhnung  zwischen dem jüdischen und dem deutschen Volk auf geeigneteren Wegen erfolgen sollte.

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